Historie eines Naturgartens in Dreieichenhain 1977-1999

An dieser Stelle möchte ich über ein Fleckchen Natur berichten, das ich seit 1977 gestalte, betreue und entwickle. Die etwa 1500 Quadratmeter große Fläche liegt am nördlichen Ortsrand von Dreieich-Dreieichenhain zwischen dem Wohngebiet Philipp-Holzmann-Straße und den Sprendlinger Wasserhochbehältern. Begrenzt im Norden und Süden durch öffentliche Feldwege fügt sich das etwa 150 Meter lange und durchschnittlich circa 10 Meter breite Grundstück als "Streuobstwiese" in die bestehende Landschaft harmonisch ein.

Die optischen Gestaltungselemente sind hochwachsende Bäume im Norden als Übergang zum Bewuchs der Wasserhochbehälter, in der langgestreckten Mitte  niedrige bis mittelhohe mittig angeordnete Obstbäume und im Süden zusätzlich hohe Bäume und Büsche als Anschluß zum Baumbestand des Dreieichenhainer Wohngebietes. Aufgelockert wird die Silhouette durch einige Hecken, die in der Regel ebenso wie das Grundstück in Nord-Süd-Richtung verlaufen, und zusätzlich als Windschutz dienen.

Die feinere Gestaltung ergibt sich durch unterschiedliche Mähtechniken, Modellierung des Bodens im südlichen Bereich, sowie durch die gezielte Wahl von Standorten für Beete, Komposthaufen und einzelne Büsche.

Das langsame Wachsen der Bäume eröffnet eine weitere Gestaltungskomponente, die bei der Auswahl der Baumstandorte Berücksichtigung fand: der über Jahrzehnte hinweg sich verändernde Charakter der Landschaft durch hochwachsende Bäume auf dem Grundstück und in dessen näherer Umgebung.

03. September 1980

Das Grundstück am nördlichen Ortsrand von Dreieich-Dreieichenhain - 03.09.1980

Als ursprüngliches Apfelbaumgrundstück liegt das Grundstück zwischen einer freien Ackerfläche im Westen und weiteren Apfelbaumgrundstücken im Osten. Im Herbst 1997 wurde der westlich gelegene Acker in eine Wiese umgewandelt, was das grasbewachsene Grundstück seitdem noch mehr in die Umgebung integriert.

Die Längsseite des Grundstücks verläuft genau in Süd-Nord-Richtung und liegt auf einer Anhöhe mit freiem Blick nach Westen. Mit etwa 175 Meter üNN sieht man von dort in die etwa 50 bis 80 Meter tiefer gelegene Ebene des nördlichen Endes des Oberrheingrabens. Dort erstrahlen nach untergegangener Sonne die Lichter der Landebahnen des Frankfurter Flughafens und der Frankfurter Skyline. Bei klarer Sicht kann man im Westen die etwa 60 Kilometer entfernten Berge des Rheingaus und im Norden den etwa 30 Kilometer entfernten Feldberg im Taunus sehen.

Bis Mitte der siebziger Jahre wurde das Grundstück auf traditionelle hessische Art bewirtschaftet. Die schon sehr alten Apfelbäume wurden zum Zweck des Apfelwein-Kelterns abgeerntet. Natürlich sich ausbreitende andere Arten wurden nicht geduldet. Eichen, Mirabellen und Brombeerbüsche wurden ausnahmslos gerodet.

Mit Übernahme des Grundstücks im Frühjahr 1977 war neben den Apfelbäumen im südlichen Bereich des Grundstücks ein kleiner Wurzelzweig eines wilden Mirabellenbaumes übrig geblieben. Um diesen herum habe ich im Sommer 1977 Löcher und Gräben angelegt, die die Grundlage für die Entwicklung des Naturgartens bildeten, den ich seitdem nach und nach sich habe entwickeln lassen. Als Mirabellenbaum ist dieser Zweig neben den Apfelbäumen und den Brombeergebüschen heute die einzige der größeren Pflanzen, die aus der Zeit vor der Übernahme übrig geblieben sind.

Die Modellierung der Bodenlandschaft am südlichen Ende des Grundstücks geschah im ersten Jahrzehnt der Entwicklung, bis Ende der achtziger Jahre. Aushub der Löcher und kompostierte Erde der Vorjahre bilden Höhen, die heute maximal um einen Meter höher liegen als die tiefsten Stellen. Mittel der Gestaltung waren nicht nur die örtliche Verteilung der Höhen und Tiefen sondern auch die Größe, Lage und Ausformung der angelegten Beete, die durch ca. 30cm breite Wege voneinander getrennt waren. Herzstück des Gartens bildete der im Juni 1977 begonnene Talbereich sowie der südlich davon gelegene im September 1978 angelegte Hügel mit seinem Südwesthang als Steingartengebiet.

01. Oktober 1978

01. Oktober 1978 - beginnende Landschaftsmodellierung: Frisch angelegter Hügel des Steingartengebietes

28. November 1978

28. November 1978 -  beginnende Landschaftsmodellierung: Rechts die Komposthaufen der Jahre 1977 und 1978, die in den folgenden Jahren die Grundlage einer Höhe bildeten, links neu angelegte Beete.

In den ersten Jahren (1978-1983) war ein Großteil des südlichen Gebietes Beetfläche, vorwiegend bepflanzt mit Krokussen, Schlüsselblumen, Narzissen, Tulpen, Lupinen, Bartnelken, Ringelblumen, Strohblumen, Schwertlilien, Sonnenhut, Sonnenblumen und indischem Springkraut. Einige Pflanzensorten konnten sich im weiteren Verlauf nicht von allein durchsetzen, und sind heute nicht mehr vertreten, wie zum Beispiel das indische Springkraut, das durch trockene Sommer Mitte der achtziger Jahre vollständig ausgelöscht wurde.

Sonnenblumenwald

5. August 1979 - Sonnenblumenwald: Links oben sind die Blätter des 1978 gepflanzten Spitzahorns zu sehen.

05. Mai 1980

05. Mai 1980 - größte Ausbreitung der Beetflächen: links der Bildmitte der 1978 angelegte Steingartenbereich, rechts die Höhen aus den Komposthaufen der Jahre 1977 und 1978, hinter dem Apfelbaum in der Bildmitte der Talbereich, der aus den 1977 angelegten Löchern und Gräben entstanden ist. Die Wege zwischen den Beeten bieten optimalen Zugang und sind neben Höhen und Tiefen Teil der Gestaltung.

Die meisten Blumen stammen aus Gärten des benachbarten Wohngebietes, aus Aussaat und aus Umpflanzung von umliegenden Wiesen der frühen siebziger Jahre. Margeriten und Schlüsselblumen, die es dort damals noch hin und wieder gab, sind in der näheren Umgebung heute fast nur noch in dem von mir betreuten Landschaftsbereich vorhanden.

Krokusse

Konnten sich auch in schattigen Busch- und Baumbereichen halten: Krokusse - 13.03.1993

Schlüsselblumen

In der näheren Umgebung fast nur noch hier zu finden: Schlüsselblumen - 17.04.1991

Blumenvielfalt

Blumenvielfalt, die sich durchsetzen konnte: Lupinen, Schwertlilien, Bartnelken, wilde Margeriten und wilde Glockenblumen - 23.05.1981

Ringelblumen und indisches Springkraut

Konnten sich nicht behaupten: Ringelblumen und indisches Springkraut - 29.06.1980

Indisches Springkraut

Indisches Springkraut - 14.08.1982

Sonnenblumen

Sonnenblumen - 13.09.1981

Am 03. Mai 1978 pflanzte ich unter anderem einige Bäume, die ausschließlich aus Aussaat stammen, in den Bereich, in dem ich dann später die Beete anlegte. Die Bäume sind Keimjahrgänge der siebziger Jahre (Spitzahorn aus Hamburg-Nienstedten 1973, Bergahorn aus Hamburg-Nienstedten 1974, Kastanie aus Dreieich-Sprendlingen 1974, Birke aus Dreieich-Dreieichenhain 1973, Eiche aus Dreieich-Dreieichenhain 1978). Der Bergahorn und der Kastanienbaum wurden Anfang November 1978 gepflanzt. Die Eiche pflanzte ich am 29. September 1984 an ihren heutigen Ort.

Den Baumpflanzungen liegt eine langfristige Planung zugrunde, die von Anfang an den Übergang in einen Waldcharakter des Gartens für die nächsten Jahrzehnte vorsah, das Überleben der alten Apfelbäume aber weiterhin gewährleisten sollte. Untergebracht werden konnten die Eiche in der südöstlichsten Ecke des Grundstücks, an der Südkante ebenso die Birke und ein Essigbaum, weiterhin der Spitzahorn und der Bergahorn, zwei weitere Essigbäume sowie der Kastanienbaum. Diese Bäume befinden sich alle im südlichen Bereich des Grundstücks.

14. September 1981

14. September 1981 - Baumbewuchs im Süden: Noch dominieren die Apfelbäume - hier zu sehen die südlichsten vier Apfelbäume, der Spitzahorn in der Mitte ist noch kaum auszumachen. Der Bewuchs mit Sonnenblumen und indischem Springkraut wird von einigen der drei Jahre zuvor gepflanzten hochwachsenden Bäumen aber  bereits deutlich überragt.

17. Januar 1995

17. Januar 1995 - Baumbewuchs im Süden: Die hochwachsenden Bäume beherrschen die Szene: von rechts nach links: Birke, südlichster Apfelbaum, Bergahorn, Essigbaum, Spitzahorn, Mirabelle und hinten weitere Apfelbäume.

Der mittlere Bereich des Grundstücks ist Wiese und trägt Obstbäume verschiedener Sorten. Ein Teil dieses Bereichs war bei der Übernahme 1977 baumlos, ein anderer hatte mehr oder weniger abgestorbene Apfelbäume, die am 01. November 1977 für die Neuanpflanzung der Obstbäume gefällt wurden. Im Frühjahr 1978 wurden die ersten neuen Obstbäume wie die alten Apfelbäume mittig angeordnet gepflanzt. Im Laufe der Jahre kamen noch einige Obstbäume hinzu. Jetzt gibt es dort Kirschen, Renekloden, Pflaumen, Birnen und Walnüsse zu ernten.

Der mittlere Teil ist auf einer Länge von etwa 20 Metern mit einer Hecke aus Knallerbsenbüschen, Hagebutten, Wildkirschen und wilden Brombeeren nach Westen hin abgeschottet. Diese Hecke bietet mit inzwischen ca. 3 Metern Breite einen Windschutz im mittleren Bereich. Die Pflanzungen und die natürliche Ausbreitung der Hecke begann mit Pflanzung der Knallerbsenbüsche am 28. März 1980.

Das nördliche Ende beheimatet vier Kastanienbäume (Jahrgang 1978), sowie eine Esche, einen Nußbaum und einen Birnenbaum. Letztere drei haben sich natürlich ausgesät, und konnten somit in der langfristigen Planung nicht berücksichtigt werden. Dies wird vermutlich ab dem Jahr 2010 zu Konkurrenzen in der Raumeinnahme durch das Wachstum der Bäume führen. Bedingt durch die andere Beschaffenheit des Bodens im Norden wachsen die Bäume hier aber sehr viel langsamer als im Süden.

21. August 1999

21. August 1999 - Obstbaumbepflanzung im mittleren Bereich: rechts die Hecke, in der Mitte zwei Kirschbäume, hinten die Bäume des südlichen Bereichs.

21. August 1999

21. August 1999 - Baumbewuchs im Norden: rechts ein Kastanienbaum, links drei weitere Kastanienbäume. Der alte Birnenbaum im Hintergrund steht auf einem Nachbargrundstück.

Vom südlichen Ende des Grundstücks beginnend gibt es 5 alte Apfelbäume. Nur zwischen den südlichsten dreien sind die hochwachsenden Bäume des südlichen Bereichs gepflanzt. Die 5 Apfelbäume des südlichen Teils geben von 1977 bis heute (1999) den Großteil der Obsternte ab.

Apfelblüte

Apfelblüte: Blick aus dem blühenden südlichsten Apfelbaum auf die Frankfurter Skyline und links auf den Spitzahorn - 11.05.1986

Apfelernte

Apfelernte: reife Äpfel für die Ernte, hier noch am Baum - 14.09.1986

Seit 1983 baute ich die Beete im südlichen Kernbereich kontinuierlich zurück, während im nördlichen Teil des südlichen Bereichs in der Nähe der Komposthaufen wieder einige neue Beete entstanden, die wegen der hier fehlenden hochwachsenden Bäume längerfristigen Charakter haben.

Stark verunkrautete Bereiche der südlichen Kernbeete wurden zu Wiesenfläche, die dann durch regelmäßiges Mähen mit dem Rasenmäher sich zu einer Rasenfläche wandelte. Diese enthält neben verschiedenen Grassorten auch einige Blumenarten, die sich dort halten konnten, bzw. sich aus den anderen Bereichen her dorthin aussäen. Andere Teile sind heute inzwischen Buschwerk oder Wiesenbereich. Mit Größerwerden der Bäume wandelte sich der Großteil des südlichen Bereichs in Waldfläche mit niedrigem Brombeer- oder Essigbaumbewuchs, darüber die Kronen der Ahornbäume. Mittelhohe Bäume und Büsche (Essigbäume, Goldregen, Jasmin) säumen den östlichen Rand des südlichen Teils. Darüber ragen die drei höchsten Bäume Spitzahorn, Bergahorn und Kastanie. Zwischen Kastanie und dem mittleren der drei südlichsten Apfelbäume kann sich weiterhin der seit 1977 treibende Mirabellenbaum behaupten.

Zur Mitte hin schließen sich die Komposthaufen (jeweils 3 Jahrgänge) und die längerfristigen Beete an, die neben Blumen Gewürz- und Gemüsepflanzen tragen.

28. März 1983

28. März 1983 - Rückbau der Beete: Ersatz durch Rasenflächen (links) und Buschwerk (rechts). Die Komposthaufen sowie später noch einige neue Beete schließen sich zum mittleren Bereich hin an.

17. November 1999

17. November 1999 - Die Bäume im südlichen Bereich haben Waldcharakter angenommen: rechts mittelhohe Bäume und Büsche, dahinter der Kastanienbaum, in der Mitte der Bergahorn, im Hintergrund der Spitzahorn, ganz links der südlichste Apfelbaum und die Birke.

Die Pflege der Wiesen geschieht in drei verschiedenen Weisen. Im südlichen Teil wird ein Teil ca. zweiwöchentlich mit dem Rasenmäher gemäht. Die gemähten Bereiche sind harmonisch dem Pflanzenwuchs und der Bodenmodellierung angepaßt. Der mittlere Bereich wird jährlich mit einem Balkenmäher gemäht. Dadurch ergibt sich der typische Wiesencharakter. Neben Margeriten, Butterblumen und Glockenblumen haben sich diverse andere Blumen und Grasarten dort ausgebreitet. Der westliche Teil des nördlichen Bereichs wird seit etwa Ende der achtziger Jahre gar nicht mehr gemäht. Damit wachsen dort nun Pflanzen wie z.B. Rainfarn und Fettehenne, die sich bei Mähung nicht halten könnten.

05. September 1981

Naturgarten in Dreieich - 05.09.1981

21. September 1998

Naturgarten in Dreieich - 21.09.1998

Von Beginn an sehe ich in der Betreuung und Pflege dieses Stückchens Natur eine verantwortungsvolle und zugleich erholsame Aufgabe, die nicht nur mir, sondern auch den Menschen die an diesem Ort vorbeikommen, von Freude und letztlich allen an diesem Ökosystem beteiligten Lebewesen insgesamt betrachtet von Vorteil sein soll.

Der Naturgarten bietet natürlich auch eine Fundgrube für fotografische Motive (siehe "edition naturgarten"). Im Sommer kann man wegen des Horizontblicks oft wunderschöne Sonnenuntergänge zwischen den Blüten der verschiedenen Blumen aufnehmen.

Stephan Heinsius 1999.